Brigadegeneral Claude Nicholson (1898-1943)

 

Nicholsons Grab auf dem Neustädter Friedhof steht unter dem Denkmalschutz, der für alle Kriegsgräber gilt und ist ein Zeugnis für die Geschichte Rotenburgs als Standort eines Gefangenenlagers für Offiziere aus aller Welt. Er wurde Opfer der „Drahtkrankheit“, wie man es im Lager ausdrückte.

Lagerfeldwebel Heinrich Sultan (Interview 1966): „Ich wurde spät noch gerufen, obwohl ich schon draußen gewesen war, sofort ins Lager zu kommen. Da sei einer durchs Fenster gegangen. Seinerzeit ging das Gerücht um, dieser Gefangene hätte einen Stollen verraten. Das war aber nicht wahr.“

Stuart Chant-Sempill (St. Nazaire Commando, 1985):
„Brigadier Claude Nicholson, kommandierte die britischen Streitkräfte in Calais, als es am 26. Mai 1940 nach tagelangen harten Kämpfen von den Deutschen erobert wurde. Er und seine Einheit, die Green Jackets, hatten lange genug in Calais standgehalten, und die 10. Panzerdivision der Deutschen daran gehindert, nach Norden durchzustoßen, um die britischen Truppen abzuschneiden. Auf diese Weise hatte er zu deren erfolgreichen Evakuierung beigetragen, die einige Tage später begann und über eine Woche dauerte. In dieser Zeit wurden 338.226 Soldaten über den Kanal nach England evakuiert, einschließlich 139.111 Franzosen.

 

Nicholson mit seiner Einheit von 20.000 wurde geopfert und ging mit ihnen in Gefangenschaft. Er war der Zweithöchste der damals in Deutschland gefangenen britischen Offiziere. Wegen des in Calais geleisteten Widerstandes war er zu Hause bereits eine Figur von nationalem Rang. Bis zu seinem Tod war er, obgleich in Gefangenschaft, ein Offizier mit Zukunft. Abgesehen davon, dass er mit seiner Einheit 1940 in Calais geopfert wurde, stellte sich für ihn das Problem der Verwicklung unseres Lagers in das Massaker von Katyn. Und er sah sich mit dem wachsenden Unmut innerhalb des Lagers konfrontiert, dass es einem Verräter anscheinend gestattet worden war, seine Täuschungen fortzusetzen. [… ]

 

Ebenso war Nicholson kein harter Mensch und oft krank. Er war jemand, der mehr an Kriegsanstrengung geleistet hatte, als unser kleiner Verräter sich vorstellen konnte. Nicholsons Tod war ein weiterer Nackenschlag für uns. Die Ärzte machten sich Sorgen um die Lagermoral und man wies uns diskret darauf hin, diejenigen zu beobachten, von denen bekannt war, dass sie unter Depressionen litten – unter stärkeren als wir restlichen. Die Deutschen, die bei solchen Anlässen sonderbar förmlich sind, arrangierten das Begräbnis von Brigadegeneral Nicholson auf demnahen Friedhof mit allen militärischen Ehren.

 

Wir wurden gebeten, von jedem im Lager vertretenen Land einen Offizier zu benennen: Schottland, England, Irland, Australien, Neuseeland, Kanada, Vereinigte Staaten. Ein römisch-katholischer Priester, Pater Charlton, las früh am Morgen des Begräbnisses in der Turnhalle eine Messe. Er stand dort am Eingang und passte auf, dass jeder römisch-katholische Offizier an der Messe teilnahm. Unter den anderen waren viele, die für das Seelenheil des Brigadegenerals beteten. Die Beteiligung des Lagers an der Trauerfeier war beeindruckend. Und das Gleiche gilt für den Aufmarsch der Deutschen – alle Offiziere in ihren besten Uniformen nahmen teil.“

 

Chant-Sempill spricht hier von einem „kleinen Verräter“. An anderer Stelle beschreibt er diesen als einen britischen Kriegsgefangenen, der zu Jahresbeginn von Spangenberg nach Rotenburg „abgeschoben“ worden war. Obwohl er kein Offizier gewesen sei, habe er sich als Leutnant ausgegeben, um in den Genuss des Aufenthalts in einem Offizierslager zu kommen. Auch andere ehemalige Offiziere, die Kriegsgefangene in Rotenburg waren, bestätigten Chants Version. Lagerfeldwebel Sultan gibt „Oberleutnant Bollock“ als Namen des Betreffenden an, der nach der Tunnelentdeckung nach Kassel gebracht worden sei.

 

Seit einer Reihe von Jahren wird Nicholson in seinem Heimatort Maperton in der dortigen Kirche mit einer „Nicholson Lecture“  geehrt (s. Poster auf der rechten Seite der Tafel).