OFLAG IX A/Z – Rotenburg   Londoner & Berliner Illustrierte berichten

Am 08.01.1944 veröffentliche die auflagestärkste britische Illustrierte, The Illustrated London News, eine kommentierte zeichnerische Darstellung der „Sonntagsparade entlang dem Käfig für Kriegsgefangene im Oflag 9 AZ“. 

„Der wöchentliche Zeitvertreib im Gefangenenlager für britische Offiziere, Oflag 9 AZ in Rotenburg bei Kassel/Deutschland, ist das Defillieren vor dem Kriegs-„Käfig“ durch die Ortsansässigen, denen es ein Ver-gnügen ist, unsere Männer durch den Stacheldraht hindurch zu betrachten.

Die Kriegsgefangenen ihrer-seits sehen es als ihre einzige Verbindung zur Außenwelt, denn es durchbricht die öde Monotonie ihres Daseins, weil sie durch den doppelreihigen Stacheldrahtverhau die lokale Bevölkerung zu Gesicht bekommen, wie sie sich langsam auf der schmalen Landstraße hin und her bewegt.

Unsere gefangenen Offiziere begeben sich gemächlich zu dieser Stelle des Lagers und die meisten Ortseinwohner sind ihnen vom Sehen her ganz vertraut.

Dabei erlauben sich unsere Männer untereinander fortlaufend spöttische oder scherzhafte Bemerkungen. Wenn ein neues Gesicht auftaucht, wird dies mit Interesse und Neugier freudig wahrgenommen.

Es gab eine Zeit, als das nahe Herangehen an den vorgelagerten Warndraht vor dem inneren Stacheldrahtzaun eine strenge Reaktion bei dem Posten hoch oben in seinem Wachhäuschen auslöste, aber mittlerweile haben sich die starren Vorstellungen von Disziplin bei den Wächtern irgendwie gemäßigt, sodass einige Gefangene gelegentlich trotz des Verbotsschildes sogar einen Fuß auf den Warndraht setzen.

Früher hät-en sie damit einen Gewehrschuss riskiert, aber heute wird es von den Wächtern gewöhnlich ignoriert.“

 

Pater George Forsters Version in seinem Buch „Inside the Wire“

Hier die Version (in Übersetzung) des gleichen „Sachverhalts" durch den in Rotenburg gefangenen Pater George Forster in seinem Buch Inside the Wire::

„An Sonntagnachmittagen pflegten Rotenburgs Schönheiten in ihrer besten Kleidung am Lager vorbeizustolzieren. Die Offiziere warfen sich in Schale und ließen sich an dem Drahtzaun nahe der Straße nieder. Bald redete man sich untereinander mit dem Vornamen an und es entwickelte sich eine schöne Kameradschaft.

Wenn dann einer fehlte, konnte es vorkommen, dass ein Mädchen fragte:

,Wo ist Bill? Ist er krank?’ - ,Nein, Friedel, er ist nur müde.’

Überraschenderweise machten die Deutschen keinen Versuch sich einzumischen."

 

Sicherlich überzeichnen beide Schilderungen das Ausmaß an „Verbrüderung“ der Gefangenen mit Teilen der Rotenburger Bevölkerung ganz gewaltig. Die deutschen Machthaber jener Tage fanden diese Darstellung unerträglich und bewerteten sie offenbar als Mittel der psychologischen Kriegsführung.

 

„Antwort“ auf die Darstellung in der ILN in der Berliner Illustrierten Zeitung

 

Am 15. Juni 1944 erschien daraufhin in der Berliner Illustrierten Zeitung eine „Antwort“ – unter dem Titel: Sonntagsparade? Wo? Wie?

Es galt, das fehlende Interesse der Rotenburger Bevölkerung an ihren „Gästen“ zu beweisen:

 

Die „Sonntagsparade“ in Wirklichkeit

„Einen Sonntag lang verbrachte der Kriegsberichter Lysiak am „Blickpunkt“ des Londoner Gewährsmannes – doch das obige Bild der unbestechlichen Kamera war das Äußertse, was an Sensation zu erleben und zu berichten war. Still lag die „Paradestraße“ und still auch das Lager, von gelegentlich dahinwandelnden Gefangenen abgesehen. Der Mangel an „Interesse“, ja sogar an Neugierde von Seiten der deutschen Bevölkerung kann nicht besser bewiesen werden als durch diese in völliger Leere dahinträumende Straße ...“

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Zweiseitiger Bericht in der Illustrated London News vom 4. Dezember 1943

Schon am 04.12.1943, diesmal sogar über zwei volle Seiten hin, war das Rotenburger Lager in der Illustrated London News  thematisiert worden. Auch diese Darstellung basierte auf dem Bericht von Captain D. Campbell, eines im Oktober 1943 wegen schwerer Kriegsverletzung in seine Heimat Entlassenen.

Dem Zeichner stand offensichtlich kein Foto der JGS zur Verfügung.

Seine Zeichnung illustriert die wöchentliche Entgegennahme von Rot-Kreuz-Paketen durch die Offiziersmesse B 13 mit ihren ca. 30 Mitgliedern.

In der Bildunterschrift hieß es u. a.: „Das Oflag 9 AZ ist stolz darauf, eine Art von Musterlager zu sein. […]