23. September 1944: Flucht am helllichten Tag
„Mit einem der uralten Tricks flüchteten Sieben am gestrigen Samstag (23.09.1944) aus dem Lager. Es ist das allererste Mal seit zwei Jahren, dass ein Ausbruch gelungen ist.“ (Tagebucheintrag von Lt. John Logan). Das als „uralter Trick“ bezeichnete Szenario basierte auf der Maskerade mit falschen Uniformen und falscher Ausrüstung.
Unter dem Kommando von Hauptmann Wylie-Carrick, der gut Deutsch sprach und in die nachgeschneiderte Uniform eines Aufsehers schlüpfte sowie einen nachgebastelten 94K-Karabiner (s. Foto) mit sich führte, wurde den Aufpassern auf dem Wachturm ein genehmigter Gefangenen-ausflug vorgetäuscht. Um sie abzulenken, machte eine andere Gefangenengruppe allerlei Firlefanz auf dem
Lagergelände.
Ein britischer Feldwebel, der aufgrund seines Arbeitseinsatzes gelegentlich Zugang zu einem der Diensträume hatte, konnte dort den Schlüssel für ein Lagertor an sich nehmen. Mit einem auf die Schnelle angefertigten Nachschlüssel war das Tor dann problemlos zu öffnen. Schon nachkurzer Distanz, an dem 1934 wenige Schritte oberhalb des JGS-Geländes entstandenen Erdrutsch, „entsorgten“ sie den mitgenommenen Handwagen und teilten sich danach in drei Gruppen auf.
Hauptmann Maud, der Chefplaner des Unternehmens, und sein Mitausreißer Leutnant Oldman marschierten nach Norden. Aber bereits nach
einer Woche endete ihre Tour im Raum Korbach, wo sie in die „Obhut“ der Gestapo gerieten, die sie dann an ihre Kollegen in Hersfeld weiterreichte. In deren Hände gerieten auch Major
Fryer-Jones, und die Hauptleute Wylie-Carrick und McDermot, die nach knapp zwei Fluchtwochen bis in die Nähe von Bielefeld gekommen waren.
Nach acht Fluchtnächten waren Leutnant Forbes und Leutnant Mugford bis in die Nähe des Rheins gelangt. In einem Schuppen hatten sie Unterschlupf gefunden. Die Züge auf der nahen Bahnstrecke mussten hier einen starken Anstieg bewältigen. Während die beiden auf die Gelegenheit zum Aufspringen auf einen Zug warteten, suchte eine Kolonne deutscher Arbeiter im gleichen Schuppen Schutz vor dem starken Regen. Die Männer riefen die Polizei herbei, die den beiden drohte, sie als Spione zu erschießen. Die nächsten Wochen verbrachten Forbes und Mugford in Gestapohaft in Hersfeld.
Für seinen Freiheitsdrang wurde Forbes als Member of the British Empire (M.B.E.) gewürdigt, inoffiziell als „serial escaper“ („Dauerausbrecher“). Die Septemberaktion 1944 war sein 10. Fluchtversuch.
Nach sieben Wochen waren alle sieben Ausbrecher wieder zurück in der Jakob-Grimm-Schule in Rotenburg.
Die Fotos zeigen (auf der rechten Tafelseite) Forbes als Major mit dem Orden als M.B.E. und in hohem Alter in Schottentracht)
Bild oben rechts: nachgebastelte deutsche Militär-Dienstmütze.